Der junge Kammerchor Rhein-Neckar verzauberte erneut mit aufregender Chormusik
Das konnte sich hören lassen: Ein Konzert der Extraklasse bot der Junge Kammerchor Rhein-Neckar in der Stiftskirche.
Schade, dass wegen starker Konkurrenz an diesem Abend nicht ganz so viele Zuhörer wie sonst den Weg zum Konzert des Jungen Kammerchores gefunden hatten. Diejenigen, die aber trotz Musicalpremiere doch lieber in die Stiftskirche gekommen waren, erlebten ein Chorkonzert der Extraklasse, das mit denen der Kammerchöre aus Stuttgarter oder Saarbrücken ohne Weiteres in einer Reihe stehen kann.
Mit ihrem Motto „… von Lieb und Leid“ trafen Chorleiter Mathias Rickert und seine Sänger quasi den innersten Kern, um den es bei Musik fast ausschließlich geht. Sehr ausdrucksvoll haben immer wieder Komponisten auf unterschiedliche Art den unfassbaren Schmerz in Töne gebannt, den der alttestamentarische König David empfunden haben muss, als er erfährt, dass sein Sohn Absalom ermordet wurde. Ebenso ausdrucksvoll vermag Musik aber auch Glück und Freude zu vermitteln, die für einen Moment auch im Zuhörer die Illusion unendlicher Liebe für die ganze Welt entstehen lassen kann. Zwischen diesen beiden Extremen bewegte sich auch das neue Programm, mit dem sich der junge Kammerchor hier vorstellte.
Viel Zeitgenössisches gab es darin zu hören, aber Mathias Rickert widmet sich mit seiner Truppe weniger der atonalen Krachmoderne - man verzeihe den despektierlichen Ausdruck für die zuweilen arg verstiegenen Neutönereien des 20. Jahrhunderts – er wählt mit sicherem Blick Stücke aus, die das Zeug haben, ihre Epoche als aufführungstaugliche moderne Klassiker zu überdauern. Dazu gehören z.B. die beiden wunderschönen „Ubi caritas“ Vertonungen von Maurice Duruflé (1902-1986) und Ola Gjeilo (*1978), aber auch das wirklich berührende „When David heard“ von Eric Whitacre (*1970), der unter jüngeren Chorfans vielleicht durch seine virtuellen youtube-Chöre bekannt wurde. Hier konnte der junge Kammerchor seine Qualitäten voll ausfahren, denn die häufig vielstimmig aufspaltenden Cluster erfordern von jedem Sänger eine blitzsaubere Intonation und einen langen, gesunden Atem.
Hohe Eigenständigkeit jedes Einzelnen gepaart mit einer ausgeprägten Ensemblekultur zeichnet diesen Chor aus, der seine Programme in wenigen monatlich stattfindenden Probenwochenenden erarbeitet. Mathias Rickert als musikalischer Motor dirigiert mit uneitler Intensität; filigran arbeitet er aufregende Nuancen heraus, ohne sich in Details zu verlieren, immer im Blick den großen Bogen, die innere Dynamik des ganzen Stückes. Und seine Sänger folgen ihm aufmerksam, kennen seine sprechenden Gesten und kleinen rhythmischen Freiheiten genau und offenbarten trotz der recht kleinen Besetzung von 28 Sängern eine eindrucksvolle Kraft und Klangfülle bei größtmöglicher Homogenität innerhalb der Stimmgruppen. Frisch und jung klang es im Sopran, sonor und kristallklar im Alt, die feine Tenorgruppe mit nur vier Stimmen harmonierte schön mit dem schlanken, geraden Bass, der zuweilen auch in die schwarzen Tiefen des Registers abtauchen musste.
Ähnlich wie der Stuttgarter Kammerchor sorgte auch der junge Kammerchor gerade mit den vermeintlich schlichten romantischen Stücken von Rheinberger und Cornelius für ausgeprägte Aha-Effekte. Das vielleicht stärkste Werk im Programm aber war das ungeheuer wirkungsvoll „Hear my prayer, o Lord“ von Henry Purcell (1659-1695), das mit seiner interessanten Harmonik irgendwie gar nicht aus der Barockzeit zu stammen schien. Kaum ein Akkord, in dem nicht irgendwo ein Querstand oder eine gewollte Dissonanz für Spannung sorgte. Ein tolles Stück, großartig musiziert! Ein Lied von Bob Chilcott (*1955) rundete das Programm wunderschön ab. Die Zuhörer mochten sich gar nicht trennen und applaudierten stehend, also folgte als Zugabe noch das Abendlied von Christian Lahusen „Komm, Trost der Welt“, mit dem sich Mathias Rickert und seine Sänger schließlich endgültig verabschiedeten.