Der Junge Kammerchor Rhein-Neckar gestaltete eine wunderschöne Aufführung von Brahms’ Deutschem Requiem in Waibstadt
Der Junge Kammerchor Rhein-Neckar präsentierte in der Waibstadter Stadtkirche Brahms’ »Deutsches Requiem« in beeindruckender Form. (Foto: Pia Geimer)
Nicht immer müssen es für ein Oratorium Chor und ein Orchester in sinfonischer Stärke sein. Ganz im Gegenteil – manchmal wirkt große Musik viel eindringlicher und berührender, wenn man ihre filigrane Struktur durchhören kann und ein sensibles Miteinandermusizieren ein solches Stück intensiv zum Leuchten bringt. Natürlich braucht es für eine solche Aufführung einen Chor, der dieses kammermusikalische Singen beherrscht. Und das trifft in besonderer Weise auf den Jungen Kammerchor Rhein-Neckar unter der Leitung von Mathias Rickert zu, der sich mit seinen natürlichen, achtsam ausgebildeten Stimmen unter den besten Kammerchören Europas etabliert hat. Dass sie aber auch ein veritables Oratorium singen können, war eindrucksvoll in Johannes Brahms’ »Deutschem Requiem« zu erleben, das der Chor am Sonntag in der katholischen Stadtpfarrkirche Waibstadt gemeinsam mit der Kammerphilharmonie Mannheim aufführte.
Die Fassung für Kammerorchester, in der das Werk hier erklang, stammt von dem Berliner Kirchenmusiker Ingo Schulz (2010), der die Bläser einfach besetzte und die Anzahl der Streicher reduzierte. Das Orchester kam also mit nur 23 Instrumentalisten aus, die den 40 Sängerinnen und Sängern einen flexiblen, eigenständig und geschlossen musizierenden Klangkörper zur Seite stellte. Mathias Rickert hatte also beide Hände frei für seinen Chor, den er wie immer mit seinen ausdruckvollen Gesten zu Höchstleistungen trieb.
Das »Deutsche Requiem« von Johannes Brahms folgt nicht dem Ablauf einer lateinischen Totenmesse, sondern besteht aus einer freien Zusammenstellung von Texten aus dem Alten und Neuen Testament, die nicht das Gebet für den Verstorbenen, sondern den Trost für seine Hinterbliebenen in den Mittelpunkt stellen. Brahms’ Beweggründe für die Beschäftigung mit Tod und Trauer waren ganz persönliche: Zunächst der Tod seines Freundes Robert Schumann, dann der seiner Mutter veranlassten ihn zu dieser für die damalige Zeit sehr ungewöhnlichen Trauermusik, für deren Vollendung er sich fast 10 Jahre Zeit nahm. Aber vielleicht ist es gerade dieser persönliche Ansatz in Verbindung mit Brahms’ großer spiritueller Offenheit, was dieses Werk für uns heute so anziehend und intuitiv verständlich macht. Gleich der erste Einsatz des Chores nach der geheimnisvollen, nur von den tiefen Instrumenten gespielten Einleitung von »Selig sind, die da Leid Tragen«, offenbarte die aufregende Klangkultur, für die der Junge Kammerchor bekannt ist. Das kann man schöner nicht machen: Warm und geschmeidig tragen die Stimmen mühelos hinaus in den Kirchenraum, entwickeln große Zartheit im piano und erstaunliche Klangfülle im forte, die jedoch niemals forciert wird, sondern immer nobel und blitzsauber bleibt. Eine gute Idee war es auch, im Orchester zwei Kontrabässe einzusetzen, die den Puls, der häufig von der Bassgruppe und der Pauke ausgeht, zu akzentuieren.
Zu dem herausragenden Gesamteindruck dieser Aufführung trugen auch die beiden großartigen Solisten bei. Jan-Ole Lingsch (Bariton) sang seinen Part mit einer atemberaubenden Präsenz, ein eindringliches und anrührendes »Memento mori«, in das der Chor am Ende mit voller Überzeugung einstimmt. Wunderschön auch, wie die Stimme der Sopranistin Helena Günther in »Ihr habt nur Traurigkeit« sich leicht und leuchtend über das Orchester und den behutsam begleitenden Chor erhob. Jeder der sieben Teile dieses Oratoriums könnte auch für sich allein stehen, aber zusammen entwickeln sie einen mächtigen Sog, der noch lange nachwirkt, wenn der Schlusschor verklungen ist. Zu beschreiben wäre diese packende Aufführung mit Mathias Rickert und seinem Jungen Kammerchor vielleicht am besten in den Worten, die Clara Schumann an Brahms zu seinem »Requiem« schrieb: »Wunderbar, erschütternd und besänftigend.«