Gefeiertes Konzert vom Jungen Kammerchor Rhein-Neckar – Klangrausch in höchster Qualität
Chormusik in höchster Vollendung präsentierte der Junge Kammerchor Rhein-Neckar mit seinem Dirigenten Mathias Rickert in der Kirche St. Jakobus. (Foto: Berthold Jürriens)
Sinsheim. Klingen so die himmlischen Heerscharen? Für die einen Konzertbesucher in der katholischen Kirche St. Jakobus ein vielleicht etwas übertriebener Vergleich. Für viele andere Augen- und Ohrenzeugen des Konzerts mehr als gut vorstellbar, dass der junge Kammerchor Rhein-Neckar dem Vergleich mit einem „Engelschor“ absolut nicht scheuen muss. Präzision, Sorgfalt und Transparenz führten zu einem konzentrierten und kraftvollen Ensembleklang, die den Sängerinnen und Sängern scheinbar keinerlei Mühe bereitete.
Doch nicht allein die gesangstechnische Leistung ließ den Abend zu einer Sternstunde im Sinsheimer „Kirchenmusikleben“ werden. Dirigent Mathias Rickert entfachte mit seiner führenden Gestik bei den Stimmen einen derartigen Klangrausch mit starkem Ausdruck und Emotion, dass den hohen technischen Anspruch der „Chormusik a cappella“ fast in Vergessenheit geraten ließ. Seit seiner Gründung im Jahr 2001 bietet der junge Kammerchor Rhein-Neckar erstklassige Chormusik auf anspruchsvollem Niveau und erhielt schon mehrfach renommierte Auszeichnungen.
Das facettenreiche Klangmosaik des Kammerchores begann mit dem „Sanctus“ des Norwegers Ola Gjeilo. Die Stimmen in diesem himmlischen Lobgesang verdichten sich dabei zum Ende zu einem aufstrahlenden „Hosanna“. Schon fast wie ein poetisches Bild, zu dem auch der aus dem Englischen übersetzte Text im Programmheft passte, wirkte „Sleep, fleshly birth“ vom Barockkomponisten Robert Ramsey. Der anmutige und federleichte Gesang bekam hier fast meditative Züge. Aus der Vertonung des Psalms 137 „An den Wassern zu Babel“ von Heinrich Schütz aus dem 17. Jahrhundert machte der Kammerchor ein doppelchöriges Musikdrama, so dass die Verzweiflung der Menschen fast körperlich spürbar wurde. Das stark betonte „zerschmettert sie an dem Stein“ erklang durch das Gotteshaus in seiner ganzen Kraft. Johannes Brahms „Vineta“ und das zeitgenössische „Sanctus“ von Frank Martin unterstrichen die präzise Diktion der A-cappella-Formation, die die verschiedenartigen Rhythmen, Stimmungen und Klangsprachen auch bei dem sechsstimmigen Chor bzw. bei zwei vierstimmigen Chören für die Konzertbesucher als klangliches Erlebnis der Extraklasse entfaltete.
Die agile und vielfach abgestufte Dynamik ließ dabei die durch die dichte Stimmführung verliehene feste Textur lebendig werden. Sphärisch betörend und mit atemberaubenden räumlichen Effekten folgte das „Virgen de las Nieves“ vom Kölner Komponisten Michael Ostrzyga, bei dem sich die Sängerinnen und Sänger im großen Halbkreis in der Kirche verteilten. Pfeifen, Wispern, Flüstern – alles ungewohnte Chortöne, die regelrecht von der Kirchendecke heruntertropften. Die polyfone Stimmführung ließen diese Zischlaute durch die gesamte Kirche geistern. Wie schafft es dieser Chor nur, Klänge so fein und weit tragend zu inszenieren? Man war Zeuge von chorischer Finesse in höchster Vollendung, die die Stimmen, so fein wie das Rauschen von Engelsflügeln, erklingen ließen.
Die stilistische Gewandtheit der Vokalisten zeigte sich in dem „Pater Noster“ von Pascal Martiné, in dem der Chor in atmosphärischen Farben und tiefgründiger Ehrfurcht das „Vaterunser“ interpretierte. Souverän, mit Leidenschaft und absoluter Konzentration auch die Darbietung der spannungsreichen Kompositionen von Eric Whitacre und Wilhelm Berger. Am Ende des Konzerts bleibt den Konzertbesuchern ein glückseliges Aufatmen, ein Erwachen aus der Betörung, die diese eindringliche Gesangsdarbietung verursacht hat. Selten waren minutenlange stehende Ovationen für eine solche „chorale Zukunftsmusik“ mehr berechtigt als an diesem Frühlingsabend.