Der Workshop im Martin-Luther Haus mit Professor Frieder Bernius und drei großartigen Kammerchören (auf unserem Bild der Junge Kammerchor Rhein-Neckar) war für die beteiligten Sänger und die Zuhörer gleichermaßen bereichernd und steigerte die Vorfreude auf das abendliche Konzert in der Stiftskirche. (Foto: Pia Geimer)

Frieder Bernius arbeitete in einem offenen Workshop mit drei vorzüglichen Kammerchören

Zweimal, 2014 und 2016, hat in Mosbach bereits der Internationale Wettbewerb für Kammerchöre stattgefunden, in diesem Jahr hatte man sich ein anderes Durchführungskonzept überlegt. Anstatt eines Wettbewerbs gab es neben einem Abendkonzert einen öffentlichen Workshop für die drei Teilnehmerchöre mit Professor Frieder Bernius, der mit seinem Stuttgarter Kammerchor Geschichte geschrieben hat und gemeinsam mit Marcus Creed vom SWR-Vokalensemble als Juror in Mosbach dabei war. Ihn jetzt einmal selbst lehrend in Aktion erleben zu dürfen, versprach für viele sachkundige Chorfans im Publikum spannend zu werden. Und auch Frieder Bernius selbst genoss es sichtlich, seinen Workshop in einem größeren Rahmen zu halten.

Das erste Ensemble war der Neue Kammerchor Berlin (Ltg. Adrian Emans), der als erstes Werk das fünfstimmige „O crux ave“ des flämischen Renaissancekomponisten Giaches des Wert mitgebracht hatte. Da im 16. Jahrhundert alle Stimmen von Knaben und Männern gesungen wurden, waren die Berliner Frieder Bernius’ Vorschlag gefolgt und hatte hier zwei Sänger aus dem Bass rekrutiert, um die beiden sehr tief liegenden Altstimmen mit der Klangfarbe ihres männlichen Altus zu verstärken. Sehr wichtig bei dieser alten Musik sei ihm die mitteltönige Stimmung, erklärte Bernius zu Beginn, die temperierte Stimmung des Flügels bezeichnete er unverblümt als „faulen Kompromiss“ und richtete die Aufmerksamkeit besonders auf die reinen Terzen. Auf so hohem Niveau mit einem perfekt vorbereiteten fremden Ensemble zu arbeiten, ist auch für Frieder Bernius immer wieder spannend, ebenso wie für die jeweiligen Chorleiter, die sozusagen einen Blick von außen auf ihr Ensemble gewinnen konnten, ohne selbst am Pult zu stehen. Genau das war einer der Tipps, die Bernius den Chorleitern mit auf den Weg gab: Proben und Konzerte aufnehmen, in Ruhe anhören, „ohne dabei in Depression zu verfallen“. Dazu besteht beim Neuen Kammerchor natürlich kein Grund, ihr zweites Stück war ein wunderschönes spätromantisches Lied, bei dem es bis auf ein paar etwas uneinheitliche Vokalfarben und ein wenig mehr Köperklang in den leisen Passagen – Bernius bezeichnete dies als „Lächelspannung“ – kaum etwas zu verbessern gab.

Am Nachmittag ging es weiter mit dem Jungen Kammerchor Rhein-Neckar, der die doppelchörige Motette „An den Wassern zu Babel“ von Heinrich Schütz mitgebracht hatte. Bernius postierte die beiden Chöre dabei frontal gegenüber, um einander besser zuhören zu können. Auch hier traf er auf ein unglaublich hohes Niveau, nicht nur was die perfekte Vorbereitung betraf, sondern auch die ausgeprägte Ensemblekultur, die Chorleiter Mathias Rickert bereits etabliert hat. Hier ging es darum, die Rhetorik hier und da noch deutlicher herauszuarbeiten und keine Scheu zu haben, das Tempo in den unterschiedlichen Abschnitten freier zu gestalten. Frieder Bernius, der im Übrigen selbst sehr schön singen und vorführen kann, was er will, konnte hier aus dem Vollen schöpfen und stachelte die Sänger zu immer neuen Stufen von Intensität an, besonders auch in dem folgenden tollen romantischen Lied „Die Capelle am Strande“ von Wilhelm Berger. Das letzte Ensemble war danach der Männerchor Vocapella Limburg (Ltg. Tristan Meister), der als Hauptstück Max Regers „Der Tod als Schnitter“ vorbereitet hatte. Zeit nahm sich Frieder Bernius hier für die genauere Herausarbeitung der jeweiligen Stimmführung, was im Männerchor vielleicht noch wichtiger ist als in gemischten Besetzungen. Bei der Arbeit mit dieser selbstbewussten Truppe war gelegentlich zu spüren, dass Bernius gewisse Tempi langsamer gewählt hätte, aber den Sängern in diesem Punkt bewusst Leine gab und sie ihre eigenen Vorstellungen umsetzen ließ. Dieser hochkonzentrierte Nachmittag mit Chorleiterlegende Frieder Bernius und drei großartigen Chören war nicht nur für die beteiligten Sänger, sondern auch für die Zuhörer unglaublich bereichernd und steigerte die Vorfreude auf das abendliche Konzert in der Stiftskirche, über das wir noch extra berichten werden.